Rechte und linke “Empathie”

Ich sollte wirklich keine Diskussionen auf öffentlichen Facebook-Seiten mehr lesen, sonst schießt mein Blutdruck hoch. Besser, ich poste überhaupt nicht Politisches mehr, aber das muss ich jetzt einfach mal loswerden: Hier ist so ein „schönes“ Beispiel, warum es mir immer schwerer fällt, mich in diesem Land weiterhin als „links“ zu fühlen: https://www.facebook.com/krassaberwahr.de/?fref=nf
Das Plakat ist natürlich Bullshit – die meisten Kommentare dazu aber auch.

Neben dem üblichen Gewäsch von „besorgten Bürgern“ („Die Flüchtlinge kriegen hier alles in den Arsch geschoben, so schlecht kann es denen doch nicht gehen, die haben ja alle Smartphones …“) ist der geistige Durchfall der Gegenseite leider genauso gruselig.

Linke, Asylverteidiger … ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich diese Fraktion am besten nennen soll … legen offensichtlich sehr viel Wert auf soziale Verantwortung, Mitgefühl und Empathie – für Flüchtlinge. Daran ist ja im Prinzip nix verkehrt. Mich lässt es doch auch nicht kalt, wenn kleine Kinder im Mittelmeer ertrinken, Menschen im Bombenhagel krepieren oder mit ihren letzten Klamotten auf dem Leib hier her kommen, um sich dann vor dem Lageso den A*** abzufrieren.

Allerdings frage ich mich: Wo ist eure Empathie für einheimische Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener, Obdachlose, Behinderte, Flaschen sammelnde Rentner?
Bisher hieß die linke Standard-Platitüde immer: „Dem ärmsten Deutschen geht es doch noch gut im Vergleich zu den Syrern und Afrikanern.“
Das stimmt schon – trotzdem sollten wir auch nicht vergessen, dass die meisten unserer eigenen „Armen“ irgendwann mal Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für diesen Staat gezahlt haben, Kinder großziehen … bis sie eines Tages das Pech hatten, arbeitslos oder krank oder einfach nur alt zu werden .

Aber nun wissen wir: die sind alle dumm und faul . Es kann ja jeder was aus seinem Leben machen, wenn er nur den Arsch hochkriegt, in Deutschland stehen doch jedem alle Türen offen und wer nicht studiert sondern irgendeinen komischen Beruf lernt, der später nicht mehr gefragt ist, hat selber Schuld … schreiben diverse Leute, die im selben Kommentar noch einen Haufen Krokodilstränen für die armen Flüchtlinge vergossen haben.

Diese Schlaumeier haben wahrscheinlich noch nie versucht, eine Umschulung beim Arbeitsamt zu kriegen, in letzter Minute den Bildungsgutschein verweigert bekommen und dann resigniert, weil sie eine Weiterbildung aus eigener Tasche nicht bezahlen können. Oder wegen einer chronischen Krankheit oder psychischen Problemen ihren Job oder ihr Studium aufgeben müssen. Oder die Schule geschmissen, weil sie ihre kranke Mutter pflegen mussten. Oder mit über 50 die Kündigung von ihrem Betrieb erhalten, wo sie über 30 Jahre gearbeitet haben, und dann nicht Neues finden, weil „zu alt“.
Mir ist sowas Gott sei Dank noch nicht passiert, aber ich kenne einige Leute, die weniger Glück hatten. Natürlich sind die alle dumm und faul (Achtung, Ironie).

Abgesehen davon, dass Intelligenz zum Teil auch genetisch gedingt ist, haben viele Kids aus bildungsfernen Familien oft keine reelle Chance zu studieren, weil sie entweder gar nicht erst auf die Idee kommen oder die Eltern spätestens nach der 10. Klasse sagen „Länger füttern wir dich nicht mehr durch.“ Man sollte doch lieber etwas „anständiges“ lernen, am besten ein Handwerk, das „goldenen Boden“ hat. Dass viele Handwerkberufe mal im Niedriglohn-Sektor landen, war vor 20-30 Jahren noch nicht absehbar.

Natürlich ist es für Flüchtlinge auch nicht einfach, an ein Studium in Deutschland zu kommen, und ich freue mich für jeden Flüchtling, der hier studieren kann, erfolgreich seinen Abschluss macht und dann zu einer der viel gepriesenen Fachkräfte wird, die unser Land bereichern.

Aber diese angeblichen Gutmenschen, die sich so aufzuspielen, als wären alle deutschen Arbeiter oder Arbeitslosen faul und „selber Schuld“ und nur Studierte was wert, brauchen sich nicht einzubilden, dass sie links wären oder zu den „Guten“ gehören. Denn der Müll, den sie von sich geben, ist weder gut noch links, sondern Sozialdarwinismus und Neoliberalismus at it’s Best .

Wo sind denn heute die Linken, die vor 10 Jahren gegen Hartz IV und Agenda 2010 auf die Straße gegangen sind? Wer (außer vielleicht Sahra Wagenknecht, Lafontaine und Gysi) macht sich überhaupt noch stark für soziale Gerechtigkeit hier im Land? Wo sind die Linken, die noch wissen, dass ihre Wurzeln in der Arbeiterbewegung liegen?

Heute schuften Arbeiter meistens für Niedriglöhne in Zeitarbeitsfirmen und rennen scharenweise zu AfD. Warum wohl? Weil sie rassistisch sind? Oder weil sich die Linken, die historisch gesehen ihre Interessen vertreten sollten, scheinbar nur noch für Flüchtlinge interessieren?

Empathie ist neuerdings ein sehr einseitiges Ding: Die der Linken richtet sich auf arme Fremde, die der Rechten auf arme Deutsche. Zumindest tun sie sehr erfolgreich, als ob. Dass das Programm der AfD ist in Wirklichkeit knallhart wirtschaftsliberal ist, wissen leider die wenigsten, weil es kaum einer liest.

Wer aber meint, dass AfD und Pegida das Schlimmste ist, was der braune Sumpf in Nachkriegsdeutschland je hervor gebracht hat, muss 1992 noch in die Windeln gemacht haben. Sorry, aber anders kann ich es mir nicht erklären, denn ich erinnere mich noch an Zeiten, als fast jede Woche irgendwo Asylbewerber bei Anschlägen auf Heime umgekommen sind. Wo jeden Tag Ausländer auf der Straße zusammengeschlagen wurden. Wo man von Nazi-Horden in den nächstbesten Fluss geschmissen wurde, wenn man mit einem Pali-Tuch durch eine beliebige ostdeutsche Stadt gegangen ist.

Pegida geht bisher nur „spazieren“.

Dazu kann man natürlich sagen, „Wehret den Anfängen“ und die Rechten dürfen nie wieder so stark werden wie z.B. in den 90ern. Sehe ich genauso – aber dann reicht es nicht, „laut gegen Nazis“ zu sein. Vor allem bringt es nichts, jeden der sich mal kritisch zur Asylpolitik oder zum Islam äußert, gleich als rechts abzustempeln. Im Gegenteil, das macht die Leute nur noch wütender und irgendwann ist es ihnen egal, ob sie rechts sind. Die ganze Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik sind jetzt in der Verantwortung, zu verhindern, dass aus besorgten, frustrierten Bürgern tatsächlich Nazis werden.

 

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